Vor gar nicht all zu langer Zeit, in einem weit entfernten Land, fand ein einsames, von seinen Herrchen am Straßenrand ausgesetztes Kayak zwei neue Besitzer…
Sonnig war es. Ein sonniger Freitag. Daran erinnere ich mich noch. Als wir das rotgelbe Kayak am Straßenrand erblickten, befand es sich in einem schlechten Zustand. Platt und mehrfach punktiert lag es dort und ohne fremde Hilfe hätte es den Winter wohl nicht überlebt. Doch wir nahmen es mit und legten es in einen geheizten Schuppen, wo es sich, geschützt vor Wind und Regen, von den Strapazen erholen konnte. Am nächten Tag wurden es eingehend inspiziert.
Dann begann der schwierige Teil. Nachdem Fahrradflicken und Vulkanisierlösung nicht genug waren, um den mittlerweile lebensbedrohlichen Luftverlust zu stillen, wurde temporär mit Isolierband und Panzertape geklammert. Doch auch dies führte nur zu wenig Erfolg. Zwar war dem rapiden Abfall des Luftdrucks vorerst entgegengewirkt, doch Wasserfestigkeit war kaum gegeben.
Endlich fanden wir mit PVC-Zement einen stabilen und gleichzeitig flexiblen Weg, die oberen Hautschichten mehr oder weniger wieder intakt zu bekommen. Der Durchbruch war geschafft.
Nach knappen zwei Stunden, sechs Eimern Seifenlauge, zwei mal Abspülen mit Wasser, acht geflickten Löchern und unzähligen Flüchen war es geschafft. Ein nun wieder in alter Pralle erstrahlendes Kayak lag glücklich zu unseren Füßen.
Nun musste nur noch ein Name für das Boot gefunden werden. Gemäß unseres Vertrauens in die Haltbarkeit des verwendeten Materials entschieden wir uns für „Kamikaze Kayak“. Mein Deutschlehrer wäre stolz auf mich, wenn er die hierbei verwendete Alliteration sehen würde.
Über Nacht wurde die ordentliche Abheilung aller Wunden sicher gestellt. Mittlerweile hatte das Kayak Publikum angezogen. So wurden wir nicht nur ständig von einem glatzköpfigen Mann mit Kamera verfolgt, sondern bekamen auch stets mehr oder weniger hilfreiche Tipps von Außenstehenden, die sich als „Maintainance“ ausgaben und steif und fest der Meinung waren, ihnen gehöre der Schuppen in welchem wir „Kazi“ lagerten.
Kazi jedenfalls ging es bestens. Nach der angehmen Nacht und 6,3 min am Kompressor war es wie neu geboren.
In einem letzten Schritt befestigten wir die Sitze mit haltbaren Schnüren um den Komfort während der Fahrt sicherzustellen. Hierbei war besondere Vorsicht geboten, da mit einem scharfen Messer in der Nähe des Bootes gearbeitet werden musste.
Letztendlich durfte Kazi wieder ans Tageslicht.
Kurz für ein paar Fotos geposed und dann nichts wie zurück zu seinem natürlichen Lebensraum. Dem Strand!
Unter Blitzlichtgewitter und den Anfeuerungen der neu gewonnenen Fans machten wir uns auf den Weg. Zwei Paddel zur Fortbewegung hatten wir ebenfalls aufgetrieben. Dem Stapellauf stand nichts mehr im Wege. Auch wenn auf halbem Weg die Dämmerung hereinbrach, waren wir fest entschlossen, Kazi noch heute in seine wohlverdiente Freiheit zu entlassen.
Am Strand angelangt begann das Spektakel. Wir trugen Kazi knappe zehn Meter ins Wasser, bevor wir ihm tatsächlich erlaubten, alleine zu schwimmen. Das Einsteigen verlief reibungslos und auch die ersten Wellen nahm Kazi ohne Probleme.
Tatsächlich! Wir hatten es geschafft. Langsam entfernte sich Kazi vom Ufer. Dem Horizont entgegen. In die Freiheit.
Fotos von:
Pawel Olszanski Beruhend auf einer wahren Begebenheit