Wwoofing bedeutet „Willing workers on organic farms“ und umfasst mittlerweile so ziemlich jede Art von „Arbeiten gegen Unterkunft“.

Aber wir wollten das wenn, dann auch richtig machen. Nicht irgendwo in der Stadt zwei Stunden am Tag putzen. Nein, wir wollten auf ’ne Farm ein bisschen weiter draußen und dann halt Farmarbeit machen.

Wie sich herausstellte, war das eine für uns beide unglaublich tolle Erfahrung, die gerne wiederholt wird. Obwohl es absolut anders war als erwartet.

 

Wir sitzen in Queenstown rum und warten, denn der Wwofer, der uns abholen soll, ist Franzose und darum typischerweise zu spät.

Irgenwann hält der schlammbespritze Jeep dann aber doch vor unserer Nase und wir steigen ein. Etwa 45 min geht die Fahrt. Zuerst Straße, dann Schotterpiste, dann eine schlammige Spur und schießlich einfach über die Wiese. Ingesamt 4 Viehgatter werden von uns passiert. Alles hier ist Privatland.

Zwischen den Bergen liegt ein kleiner See und so langsam kann man weiter hinten eine kleine Hütte erkennen. Als wir näher kommen, sehen wir, dass es eigentlich zwei Hütten sind. Niedlich umzäunt schmiegt sich das urige Heim in die Auen des Tals. Schafe grasen drumherum und blöken uns freundlich an, als wir aussteigen.

Wir werden unserem Wirt Graham vorgestellt. Er ist so ungefähr der älteste Mann, den ich je gesehen habe, aber eigentlich ist er nur 85, obwohl er aussieht wie 103. Jedoch ist Graham unglaublich freundlich und ein bisschen wie ein Großvater.

Der junge Franzose (der aufgrund meines Gedächtnisses keinen Namen mehr hat) führt uns kurz rum und zeigt uns alles. Dann steigt er in den Jeep und fährt weg. Wir sind mit Graham alleine.

 

Im Folgenden werde ich genau beschreiben wie Julia und ich die letzte Woche lang gelebt haben. Dazu wird später auch noch ein Vlog folgen.

 

Die eine Hütte ist aus Bruchstein und Baumstämmen gebaut und zwar mit Lehm. Nicht mit Zement. Das Dach ist aus Wellblech. Daneben stehen zwei Bäume und eine Art Schuppen. Komplett aus Holz gebaut. Die Hütte ist sehr häuslich eingerichtet. Alles ähnelt den Gegenständen, die man aus dem Museum kennt. Die meisten Dinge hier sind aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Küche, welche etwa die halbe Hütte einnimmt, hat einen Boden aus großen Steinquadern und eine niedrige, von grob behauenen Balken gestütze Decke. Ein gusseiserner Ofen mit Kochfeld und eine Backnische ist an einer Seite des Raumes in die Wand eingelassen. Die Steine darüber sind über Jahre vom Ruß geschwärzt worden. Zusätzlich gibt es einen kleinen Gaskocher. Das ist auch schon das modernste Stück der Einrichtung. Auf einem Regal befinden sich die unterschiedlichsten Kräuter und Gewürze, und von Nägeln in den Deckenbalken hängen gusseiserne Pfannen und Töpfe. Es ist nicht sehr sauber, aber ausgesprochen authentisch.

 

Der Schuppen hat eine obere Etage. Hier finden sich zwei Matratzen (unsere Betten), ein Sofa und unglaublich viele Bücher. Außerdem alte DVDs und ein Fernseher. Dieser wirkt sehr fehl am Platz. Dazu gibt es Schallplatten und ein Grammophon (so eins wo man noch Kurbeln muss).

Im unteren Teil des Schuppens steht ein kleiner blauer Traktor, welcher ganz sicher nicht mehr fährt, so wie jegliche Geräte die man hier auf der Farm so braucht.

 

Rund um beide Häuser ist Feuerholz aufgestapelt. Ein Schlagklotz befindet sich hinter dem Haus.

Es gibt keinen Handyempfang. Es gibt kein Internet. Es gibt keinen Strom. Und es gibt kein sauberes Leitungswasser. Die Toilette ist ein winziges Häusschen etwas abseits und besteht aus einem Loch mit einer Klobrille.

Es gibt ein Waschbecken unterm Schuppen und eins in der Küche. Beide werden von einem kleinen Bach weiter oben am Berg gespeist. Das Wasser wird in zwei Fässern auf simpelste Art und Weise von Schwebeteilchen befreit, ist danach aber immer noch nicht trinkbar. Der Druck auf der Leitung wird nur durch den Höhenunterschied erreicht.

Es gibt eine Solarzelle, um ein Radio zu betreiben. Auch alle Lampen müssen über Tag in der Sonne aufgeladen werden. Außerdem gibt es einen Generator im Schuppen, den wir alle zwei Tage für drei Stunden laufen lassen, um einen Film zu schauen und unsere Handys/Laptops/Kameras aufzuladen.

 

Neben der Hütte führt ein kleiner Weg etwa 200m lang bergab zu einer Quelle. Hier füllen wir unser Trinkwasser auf. Gleichzeitig ist dort unser Badezimmer. Das Wasser ist 10 bis 12 Grad kalt, glasklar und wahrscheinlich drei mal sauberer als euer Wasser zuhause.

 

Wir sind 45 min mit dem Auto (welches wir nicht haben) von der Zivilisation entfernt, ohne eine einzige Möglichkeit, Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen. Wir sind unerreichbar für Feuerwehr oder Krankenwagen. Hier muss man selber klar kommen, mit allem, was so passiert.

Und die Arbeit hier ist gar nicht mal ungefährlich. Ich habe innerhalb von 2 Tagen gelernt, mit der Kettensäge umzugehen und sie zu warten, Bäume zu fällen und jegliche Art von 2 Takt Motoren (ob Rasenmäher oder Bushcutter) zu reinigen und zu pflegen. Holzhacken und Feuer machen, sowie darüber wachen, konnte ich zwar schon vorher, aber auch das gehört zu meinem Alltag hier. Geheizt wird nämlich mit Holz aus dem kleinen Wald, der Graham gehört. Außerdem mit Kohle, wenn es lange halten muss (zum Beispiel beim Backen).

 

 

 

Man könnte jetzt sagen, das Leben hier ist hart. Man könnte die Hände vor den Kopf schlagen und meinen „Oh Gott, wo ist Philipp denn da gelandet!“ Aber das ist volkommen ungerechtfertigt. Ich lebe hier ähnlich wie vor 100 Jahren (mit zusätzlichen Annehmlichkeiten). Das heißt, ich stehe morgens um 8:00 auf. Ja, erst um 8:00. Es bringt überhaupt nichts, früher aufzustehen. Um 6:00 ist es noch dunkel und man bricht sich eher was, als dass man produktiv ist.

Nach dem Aufstehen gehe ich aufs Klo und genieße dabei den Sonnenaufgang über den Bergen (das Klo hat die mit Abstand beste Aussicht). Dann gehe ich zum Fluss und mache mich ein bisschen frisch. Danach ist man auch wach vom kalten Wasser. In der Küche ist Julia bereits zugange. Ich toaste (mit einem sehr speziellen Toaster über dem Gasherd) zwei Scheiben Brot, genieße Julias Tee aus Pfefferminze, frisch aus dem Garten, und lasse mir die Erdnussbutter auf der Zunge zergehen. Danach wird kurz besprochen, was wir heute machen. Dann kommt der anstrengende Teil. Ich nehme mir die Motorsäge und ein Seil. Dann ab zum Wald. Einen Baum fällen und zerlegen. Das ist schweißtreibend, dauert aber nur ungefähr eine Stunde. Die nächste Stunde lang karre ich die sperrigen Holzklötze mit der Schubkarre hinter die Hütte. Dann säubere und befülle ich die Kettensäge und räume sie wieder weg. Danach wird das Holz noch in handliche Scheite gehackt und aufgestapelt. Um 1:00 bin ich fertig und es gibt Mittagessen. Das haben normalerweise Julia oder Graham gekocht, da beide zum Holzspalten wenig geeignet sind.

Gekocht werden Kartoffeln und Bohnen aus dem Garten, um den sich Julia liebevoll kümmert. Und natürlich gibt es auch alles Mögliche, was in der Stadt eingekauft wurde (Thunfisch, Orangensaft, etc.). Nach dem Essen habe ich frei. Jap. Komplett frei. Den Rest des Tages. Julia und ich arbeiten pro Tag etwa drei Stunden. Das reicht vollkommen aus, um drei Personen komplett zu versorgen. Solange man eben simpel lebt.

Ich kann zum Fluss gehen, um Fallen zu stellen. Oder auf den Berg klettern, um die Aussicht zu genießen. Ich kann mich wieder ins Bett legen. Oder mich einfach in die Sonne setzen und absolut gar nichts tun.

 

Und das ist es, das „harte“ Leben auf der Farm. Die meiste Zeit genieße ich einfach nur die Ruhe oder mache irgendwas mit Julia. Die Arbeit ist anstrengend, aber kurz. Und ich finde es unglaublich interessant hier. Graham hat mir gezeigt wie man einen Hasen zerlegt, den ich unten am Fluss gefangen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch wüsste wie, aber es war trotzdem super, sowas mal gesehen zu haben. Genauso weiß ich jetzt, wie man einem Oppossum das Fell abzieht (die Viehcher sind leider ungenießbar).

 

Langeweile? Nein. Eher nicht. Langeweile entsteht im Kopf. Wenn ich wirklich mal gar nichts zu tun weiß, kann ich mir immer noch einen Grashalm in den Mund stecken und mich in die Sonne legen.

 

Das ist also meine persönliche Wwoofing Erfahrung. Manch einer mag das vielleicht anders sehen, aber ich denke, dass das einfache Leben hier durchaus seinen Reiz hat. Ich würde es wahrscheinlich nicht für immer machen. Dafür mag ich Internet und Action zu sehr. Aber wenn ich mal alt bin… Wer weiß…